Der alte Wildschönauer Bergbau (aus „Heimatbuch Wildschönau“ von Hans Mayr)

 

Die Wildschönau war von etwa 1450 bis 1861 der östlichste Teil des einst welt­berühmten Schwazer Bergbaugebietes, das von Schwaz bis nach Wörgl reichte. In diesem Gebiet waren bis zu 22.000 Bergknappen beschäftigt!

Sogenannte »Arzschnüffler« untersuchten überall die Berge nach verwertbarem Erz. Es wurde zum Großteil »Fahlerz« (Silber und Kupfer) gewonnen.

In unserer Gemeinde zog sich das Bergbaugebiet vom Schatzberg über den Thalerkogl, Hösljoch, Gratlspitz, Holzalmhöfe, Grasberg, Lehenlahn, über die Kundler Klamm, Achentalalm, Häringhof in Oberau, Stockerhof, Ho­her Stein, Wörgler Schlucht bis zum Ba­cherwinkl hin.

 

Auch in Auffach gab es beiderseits der Ache Bergbau. Die Berg­werke beeinflußten 400 Jahre lang das Leben der Talbewohner. Die ergiebigsten Fundgebiete waren am Gratlspitz und um den Grasberghof bis zur Lehenlahn.

 

Diese beiden Bergstöcke sind stellenweise direkt ausge­höhlt und durch ein Labyrinth von Gän­gen, Schlüffen, Höhlen, hallenartigen Räumen und gewundenen Stollen, in de­nen man den Erzadern nachging, oft mit­einander verbunden. Aus jeder Stollenritze ist das Erz gewissenhaft herausge­pickt.

Dr. Herwig Pirkl, Geologe aus Schwaz, durchforschte als Student um das Jahr 1958 in einer mehrjährigen Ar­beit anhand alter Bergkarten das gesam­te Bergbaugebiet von Schwaz bis nach Wörgl und nahm dabei mehr als 1000 (!) Stollen und Tagbaue auf.   Darüber schrieb er eine äußerst wertvolle und aufschlußreiche Doktorarbeit.

 

Das Erz wurde in Ledersäcken durch Träger, Handzug, Tragtiere oder Pferde­schlitten meistens im Winter von den Stollen zu den Schmelzhütten nach Brix­legg und Kundl (»Kundler Ofen«) ge­bracht. Für den Gebrauch in den Schmelzöfen wurde in gleicher Lieferart auch die in der Wildschönau gebrannte Holzkohle ausgeliefert.

Im Freien, vor den Stollen, klopften in provisorischen Hütten ältere Leute und auch Kinder mittels »Scheidhäm­mern« das schwere Erz aus dem teilwei­se »tauben« Gestein. Am »Kaiser­bründl« am Gratlspitz liegt noch ein schwerer Granit­findling, den man als Scheidstein be­nutzte. Zu dieser Erzausscheidung war im Klinglergraben bei der Jausenstation „Klingler“ in Innerthierbach auch ein »Arzpo­cher« aufgestellt, der mit Wasserkraft die Gesteinsbrocken zerkleinerte. Aus die­sen Trümmern suchte man das edle Erz heraus.

 

Die meisten Stollen hatten einen Na­men oder waren numeriert. An dem Vortrieb der großen Stollen (Erbstollen) hatte man viele Generationen in Hand­arbeit gearbeitet. Erst um 1600 begann man, mit Pulver zu sprengen.

 

Die einzelnen Bergbaugebiete

In der Gegend von Dillental in Auf fach wurde um 1600 nach Silber und Kupfer geschürft. Der Hofname »Stolln« in Auffach dürfte von einem Bergbau an der Sonnseite herstammen. Unbestätigten Quellen zufolge war ge­plant, von Dillental und Stolln aus den Berg bis nach Kelchsau im Hopfgartner Grund durchzubohren, wo sich auch auf der Krantalpe hinter dem Feldalphorn ein Bergwerk nach Kupfer und Schwe­felkies befand.

 

Helried- (Hohlried) im Hackeltal in Auffach. Um 1600 wurde hier Silber und Kupfer gewonnen. Im »Teglanger« war eine Schmelzhütte, beim jetzigen »Teglschmied«, wohl für die Erze aus dem Helried- und den zwei Windhag­stollen sowie dem Dillentalbergbau in Betrieb. Der Name »Teglschmied« und »Teglanger« zeugt heute noch von die­sem Schmelzbetrieb, wo nach mündli­cher Überlieferung an die 60 Schmelz­tiegel aufgestellt waren.

 

Auf dem Schatzberg (Knappenbühel) wurde im Grauwackenschiefer von 1538 bis 1697 und von 1820 bis 1825 Silber, Kupfer und Schwerspat gefördert. Die zugewachsenen Knappenbühel wurden um 1980 für den Skisport eingeebnet.

 

Auf dem Thalerkogel, der Kotkaser­alm und im oberen Weißenbachgraben wurde von 1500 bis 1660 in einem ziem­lich bedeutenden Bergbau nach Silber, Kupfer und Schwerspat gegraben.

 

Im Gebiet der Höslalpe waren im Schwazer Dolomitengestein 14 nicht sehr tiefe Stollen nach Silber und Kupfer in Betrieb. Auf dem Rauchkopf südlich von Thierbach wurden in einem kleinen Bergbau im Grauwackengestein von 1550 bis 1640 Kupferkiese abgebaut.

 

Im Gratlspitz-Hauptstock (Thierberg) waren auf der Wildschönauer Seite 34 Stollen und teilweise auch Tagbaue nach Silber und Kupfer von 1465 bis 1760 in Betrieb. Die Verhüttung der Erze erfolg­te in Brixlegg.

 

Die wichtigsten Stollen im Gratlspitzgebiet sind:

Der Höslklammstollen.

Der Farbenstollen auf dem Weg zum Gratlspitz.

Der Leithnerstollen in einer Rinne nahe der Spitze.

Der Georgenstollen im Graben ober­halb Kaiserbründl.

Der Sebastianistollen.

Die zwei Loderzeckstöllerl, fast ganz oben unterhalb des Weges vom Gratl­spitz zum Zweierkopf.

Der Johann-Antonistollen.

Der Veronikastollen, dessen Eingang an der riesigen Halde noch sichtbar ist.

Der Gedingbau Sonnfeld gegen den Gipfel zu.

Der Oberfundstollen, ein Hauptstol­len oberhalb des Kaiserbründlweges.

Der Unterfundstollen, ein Hauptstol­len, unterhalb des Kaiserbündlweges, im Graben.

Der Peterstollen. Das Erz wurde zum Pocher im Klinglergraben und dann über Saulueg zur Brixlegger Hütte ge­bracht.

Der Neuschurfstollen.

Der Untere Halsbergstollen, etwa 100 Meter oberhalb des Kaiserbründlweges. Das Mundloch dieses großen teilweise hallenartigen Stollens ist verfallen.

Der Unterbaustollen, zuunterst der großen Halde, unterhalb Kaiserbründl.

Der Obere Klinglerwaldstollen.

Der Untere Klinglerwaldstollen. Die­se beiden Stollen liegen oberhalb des Klinglerhofes, der früher »Grub« hieß, im Wald.

In der Mulde von den Holzalmhöfen zur Brixlegger Holzalpe wurde zur Berg­bauzeit in mehreren Gruben Gips geför­dert. Die eingestürzten tiefen Gruben (»Pingen«) sind heute teilweise mit Was­ser gefüllt.

Im Gebiet Holzalmhöfe — Grasberg — Lehenlahn waren im Ramsau-Dolo­mitgestein um 1558 sogar 48 (!) Stollen auf Silber, Kupfer, Kobalt, Nickel, Schwerspat und Roteisen in Betrieb.

 

Im Schlaglwald unterhalb der Hohl­riederalm, südlich von Mühltal, im Wei­ßenbachgraben, bestand von 1595 bis 1680 im Grauwackenschiefer ein ziem­lich bedeutender Bergbau nach Nickel, Silber, Kupfer, Kobalt, Roteisen und Schwerspat. Diese Gruben waren im Be­sitz der Fugger! Die Erze wurden im Kundler Ofen verhüttet.

 

In der Kundler Klamm wird 1528 und 1631 in Verleihurkunden eine Goldwä­scherei in der Ache erwähnt. Um 1800 hat ein Vorfahre der Schauspielerfamilie Hörbiger vom Hörbighof in Thierbach im Weißenbach eine Goldwäscherei be­trieben.

 

In der Bruchwiese am Westabhang des Kragenjoches in Oberau suchte man um 1600 ebenfalls nach Silber und Kup­fer.

In der Gegend um Bemberg in Oberau fand man gleichfalls um 1600 Silber und Kupfer.

Hinter dem Zauberwinkl im Gschieß­gebiet grub man von 1631 bis 1815 nach silberhältigem Bleiglanz, Zinkblende und Eisenkies.

Zwischen Oberau und Niederau grub man bis 1850 in der »Knappenstub« (na­he Häringbauer), im Stockerloch und auf dem Hohen Stein nach Schwerspat, Sil­ber und Kupfer.

In der Wörgler Schlucht an der jetzi­gen Wildschönauer Straße grub man in zehn Stollen im Ramsau-Dolomitge­stein bis um 1850 nach Bleiglanz. Auch zwei Tagbaue nach Brauneisen waren hier in Betrieb. Die Ausbeute war über­all gering. Meistens handelte es sich nur um Versuchsstollen. Zwei kurze Stollen stehen direkt an der Straße noch offen.

Gegenüber im Bacherwinkl, jenseits der Schlucht, im Ramsau-Dolomitgestein, nahe dem Brachhof, wurden bis 1850 in vier Stollen und einem Tagbau Bleiglanz und Zinkblende gefördert.

 

Was heute der Tourismus ist, war früher mit Sicherheit neben der Landwirtschaft der Bergbau im Hochtal, der das wirtschaftliche Leben florieren ließ. Der Bergbau ist durch teil­weises Aufhören des Bergsegens, haupt­sächlich aber durch die sinkende Rentabi­lität infolge der Einfuhr leichter zu gewin­nender Erze aus Übersee zum Erliegen gekommen. Es bestehen jedoch heute noch einige gültige Freischurfrechte.

 

Schmelztiegel, Höllhäfen, oder Passauer Häfen

Für den Bergbau in Auffach und im Weißenbachgraben war bis etwa 1690 im Tegelanger, beim jetzigen Teglschmied, eine Schmelzhütte in Betrieb.

Nach mündlicher Überlieferung waren dor 60 Tegel (Schmelztiefel) aufgestellt. Diese Tegel nannte man Hölläfen, weil sie eine Temperatur von 3000 Grad aushielten. Eine andere Bezeichnung war Passauer Häfen, weil sie von 1550 bis 1750 in Passau für alle Bergwerke Mitteleuropas erzeugt wurden. In der Nähe von Passau kommt der für diese Tegel verwendete Graphit-Ton in der richtigen Zusammensetzung vor.

Nach Auflassung der Tegelangerschmelzhütte verwendeten die Bauern die Höllhäfen als Aschegefäße und mauerten sie öfters in die Rauchküchenherde ein.